Bio-Tee von Haruki Ō-ishi, Miyazaki

JAPAN: MIYAZAKI BIO-TEEGARTEN DER FAMILIE Ō-ISHI

Der Bio-Teegarten von Haruki Ō-ishi liegt in Miyakonojō im Süden der Präfektur Miyazaki, an der Grenze zum Kirishima-Gebirge. Auf zahlreichen Kleinparzellen produziert Haruki Ō-ishi ein Spektrum an hervorragenden, ungewöhnlichen Teesorten in limitierten Mengen. Darunter finden sich rare und regionale Strauchsorten wie Kirari und Yume Kaori, die sonst kaum erhältlich sind.

Haruki Ō-ishi (2024)

Von Shizuoka nach Miyakonojō

Haruki Ō-ishis Urgroßeltern lebten ursprünglich in Shizuoka, Japans bekanntestem Teeanbaugebiet, und waren dort als Arbeiter in einer Teefabrik angestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts sah die Teeproduktion noch ganz anders aus als heute. Es gab keine Maschinen. Alle Schritte vom Ernten über das Holzhacken, Transportieren und Rollen der Teeblätter mussten selbstverständlich von Hand ausgeführt werden.

Shizuoka exportierte damals viel Tee ins Ausland. Mit der Weltwirtschaftskrise brachen diese Absatzmärkte weg und viele Teefabriken mussten ihre Arbeiter entlassen. Auch Harukis Urgroßeltern verloren ihre Anstellung. Sie fassten den Entschluss, gemeinsam mit anderen ehemaligen Angestellten der Fabrik nach Miyazaki im damals noch sehr fernen Süden Japans auszuwandern. An einem neuen Ort wollten sie weiter Tee produzieren.

Die Gruppe machte sich gemeinsam auf die Reise, da sie wussten, dass es ihnen nur so gelingen würde, sich eine neue Existenz aufzubauen: Denn in der großen, arbeitsteilig organisierten Fabrik war jeder für ein Arbeitsgebiet zuständig gewesen. Harukis Urgroßvater war auf eine Tätigkeit spezialisiert, die besonders viel Erfahrung, Geschick und Fachkundigkeit erforderte: das Handrollen.

Schließlich ließ sich die Gruppe im Ort Miyakonojō nieder, der mit seiner talkessel-förmigen Topografie den bevorzugten Lagen in Shizuoka ähnelt. Dort konnten Harukis Urgroßeltern Fuß fassen und bauten erfolgreich ihren Teegarten mit eigener Produktion auf.

Drei Söhne, drei Teegärten

Asaji Ō-ishi bei der Arbeit im Bio-Teegarten (2024)

Harukis Großvater war drei Jahre alt, als er mit seinen Eltern nach Miyazaki auswanderte. Er trat in die Fußstapfen seiner Eltern und schaffte es, den Familienbetrieb weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Nichtsdestotrotz hielt er an der Familientradition fest und erlernte ebenfalls die Kunst des Handrollens, die angesichts der Mechanisierung inzwischen deutlich seltener ausgeübt wurde. Er etablierte sich in Miyakonojō, gründete eine Familie und hatte drei Töchter und drei Söhne. Alle drei Söhne, Toyoji, Asaji und Kaoru, waren so begeistert vom Metier, dass sie unbedingt weiterhin Tee herstellen wollten. Die Teefelder wurden darum unter ihnen aufgeteilt und so gibt es noch heute mehrere, miteinander verwandte Teegärten in der Gegend, die den Namen Ō-ishi tragen.

Harukis Eltern: Asaji und Takeko Ō-ishi

Der erstgeborene Sohn Toyoji erhielt damals die bestehende Teefabrik. Harukis Vater Asaji, der zweitgeborene Sohn, musste sich dagegen eine neue Fabrik aufbauen. Diese Anstrengung nahmen er und seine Frau Takeko jedoch gerne auf sich, um selbst Tee produzieren zu können.

Takeko stammt aus der Nachbarstadt. Ihr Vater war Beamter, ihre Mutter Reisbäuerin und sie selbst bis zu ihrer Heirat Kindergärtnerin. Mit dem Anbau von Tee war sie bisher nicht in Berührung gekommen. Als es hieß, ihr künftiger Ehegatte würde im Tee-Bereich arbeiten, malte sie sich elegante Tatami-Räume und edle Kimonos aus: Sie dachte, er würde Teezeremonien zelebrieren. Nach anfänglicher Überraschung fand sie jedoch Gefallen an der harten, aber lohnenden Arbeit im Teegarten und der Fabrik – der Beginn einer bis heute andauernden, freudigen Zusammenarbeit.

Zwei Generationen Hand in Hand

Haruki Ō-ishi mit seinen Eltern Asaji (Vater) und Takeko (Mutter) vor ihrem Teefeld in Miyakonojō (2024)

Auch heute stehen die beiden ihrem Sohn Haruki mit Rat und Tat zur Seite.
Der rüstige Asaji Ō-ishi beaufsichtigt bisweilen die Produktion in der Fabrik oder fährt die Erntemaschine. Oft genießt er es auch einfach, auf einem Klappstuhl in der Fabrik zu sitzen und die schöne, lebhafte Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Auch Takeko Ō-ishi packt überall dort an, wo sie gebraucht wird, sei es in der Fabrik, auf dem Feld oder beim Beliefern der kleinen Läden in der Nähe mit ihren Tees. Einmal monatlich gibt es einen Markt in der Stadt Miyazaki. Asaji und Takeko freuen sich jedes Mal, dort an ihrem Stand Tee aufzugießen und mit den Teetrinkern persönlich ins Gespräch zu kommen.

Haruki hat die Praxis der Aracha-Produktion von seinem Vater erlernt. Vater und Sohn arbeiten gerne zusammen und besprechen viel miteinander. Haruki weiß die Expertise seines Vaters zu schätzen und fragt ihn als Erstes um Rat, wenn er Neues ausprobieren möchte. Damit stößt er bei seinem offenen und begeisterungsfähigen Vater immer auf großes Interesse. Und wohl wissend, dass er sich auf seinen Sohn verlassen kann, hat Asaji ihn stets darin bestärkt, seinen eigenen Weg zu gehen.

Auch in Harukis Generation begeistern sich alle Geschwister für den Tee. Sein jüngerer Bruder Tomohiro wohnt praktischerweise gleich im Nachbarhaus und hilft tatkräftig mit, zum Beispiel bei der finalen Erhitzung.

Harukis Frau Masako stammt aus der Stadt Miyazaki und hat an der renommierten Meiji-Universität in Tokyo studiert. Sie kümmert sich im Betrieb um die zahlreich anfallenden administrativen Tätigkeiten. Früher half sie auch noch mehr im Teegarten mit, hat sich dann aber entschieden eine andere Anstellung aufzunehmen.

Nicht fehlen darf auch Herr Kuroki, einer von Asajis besten Freunden. In jungen Jahren gingen beide zufällig auf das gleiche Heiratsvermittlungs-Treffen – und fanden dort statt der künftigen Gattin einen besten Freund fürs Leben. Herr Kuroki, seines Zeichens überzeugter Bio-Kartoffelbauer, teilt nicht nur Asajis Interessen und Werte, sondern packt auch tatkräftig beim Unkrautjäten mit an.

Teekünstler mit höchsten Ansprüchen

Haruki Ō-ishi wuchs inmitten einer lebendigen Teekultur auf, umgeben von Onkeln, Tanten und Cousins, die im Teeanbau arbeiteten. Ihn selbst interessierte dies aber herzlich wenig – bis er in den Sommerferien seines letzten Schuljahres, angelockt vom Taschengeld, erstmals im Teegarten mithalf.

Haruki und sein Vater Asaji Ō-ishi bei der Teeproduktion (2024)

Er war so begeistert von den Aufgaben im Feld und in der Fabrik, dass er sich sogar dazu entschied, die Teeproduktion professionell zu erlernen und sich für das zweijährige Studium am Teeforschungsinstitut in Shizuoka einzuschreiben. Bestens gerüstet mit einer fundierten Ausbildung und engen Kontakten zu anderen Teebauern und Forschern kehrte er anschließend in seine Heimat zurück und stieg in den elterlichen Betrieb ein. Um möglichst viele Facetten der Teekultur kennenzulernen und auch vermitteln zu können, hat er zudem eine Ausbildung zum Japanese Tea Instructor abgeschlossen.

Eine von Haruki Ō-ishis Spezialitäten ist der exquisite handgerollte Tee, den er höchstpersönlich jedes Jahr in Kleinstmengen herstellt. Er wurde dafür bereits japanweit ausgezeichnet. Genauso wie sein Großvater und sein Vater hat er die Handproduktion professionell in Shizuoka erlernt und über Jahre hinweg immer weiter verbessert.

Auch seine anderen Tee-Kunstwerke sind Ausdruck der fachlichen Expertise, der Experimentierfreude und des hohen Qualitätsanspruch des jungen Teebauern. Haruki hat große Freude daran, immer wieder Spitzenqualitäten zu erschaffen. Er reicht oft eigens dafür entworfene und produzierte Tees bei Wettbewerben ein, wo sie regelmäßig mit Bestplatzierungen gewürdigt werden.

Vater Asaji produzierte vor allem kurz gedämpfte Tees („asamushi“), mit ihrer charakteristischen klaren, gelberen Tassenfarbe, auch um die Bedürfnisse der Teebörse und Großhändler zu erfüllen. Auch Haruki beliefert heute Großhändler mit Asamushi-Tees, bevorzugt für den Direktverkauf und persönlich aber eine stärkere Dämpfung („tsuyomushi“). Er liebt die dabei entstehende leuchtend grüne Tassenfarbe. Dafür hat er die professionell auf Asamushi-Tees ausgerichtete Fabrik der Eltern eigens modifiziert. So kann er auch sein persönliches Geschmacksideal umsetzen.

Forschung in Theorie und Praxis

Mit Begeisterung hält sich Haruki Ō-ishi auf dem neuesten Stand der Teeforschung. Er tauscht sich mit Experten am Teeforschungsinstitut in Miyazaki über neue Strauchsorten-Züchtungen und Innovationen bei der Verarbeitung aus. Gleichzeitig hilft er den Wissenschaftlern: Wenn es neue krankheitsresistente Strauchsorten gibt, die für den Bioanbau geeignet – und geschmacklich überzeugend! – sind, betreibt Haruki Ō-ishi damit Testanbau im kleinen Rahmen. So kann er wertvolle Erkenntnisse liefern und gleichzeitig herausfinden, welche Sorten gut gedeihen und schmecken. Die besten davon pflanzt er dann auch für die eigene Teeproduktion. So finden sich in seinem Teegarten inzwischen rare, regionale Strauchsorten wie Kirari und Yume Kaori, die sonst kaum erhältlich sind. Diese Sorten wurden in Miyazaki gezüchtet und passen perfekt zu den Bedingungen in Süd-Kyushu.

Bio für die nächste Generation

Haruki und seine Frau Masako haben drei Töchter und einen Sohn, die alle noch zum Kindergarten bzw. zur Schule gehen. Als sein erstes Kind geboren wurde, stand für Haruki fest, dass er auf Bioanbau umstellen würde. Er hatte zahlreiche Tee-Analyseberichte genau angesehen, mit Forschern gesprochen und erkannt, dass in konventionellen Tees immer geringe, aber messbare Pestizid-Rückstände vorhanden sind. Selbst wenn deren Einfluss für Erwachsene noch hinnehmbar sein sollte, war ihm klar, dass die gleichen Mengen für Kinder problematisch sind. Es ist Haruki Ō-ishi ein Herzenswunsch, besonders der jüngeren Generation sichere Lebensmittel bieten können.

Schon Harukis Vater hatte großes Interesse am Bioanbau und hätte gerne den Betrieb umgestellt. Zu seiner Zeit stieß er damit jedoch bei seinen Kunden auf wenig Verständnis. Es gab noch keine öffentlichen Fördergelder wie heute und auch das unterstützende Netzwerk fehlte ihm. Als Haruki den Betrieb 2016 bio-zertifizieren ließ, unterstützte sein Vater die Entscheidung daher sehr.

Die ersten beiden Jahre im ökologischen Anbau gestalteten sich allerdings nicht wie erhofft. So zahlreich überfielen Schädlinge und Krankheiten die Teesträucher, dass ganze Ernten ausfielen. Haruki hatte sich schon damit abgefunden, Nebenjobs aufnehmen zu müssen, um die Familienkasse zu retten. Doch ab dem dritten Jahr ging es glücklicherweise aufwärts. Der Teegarten fand zu seinem natürlichen Gleichgewicht. Auch die Teequalitäten verbesserten sich in den folgenden Jahren immer weiter.

Nach einigen Jahren hatte sich der Betrieb stabilisiert und inzwischen kann Haruki sogar neue Sträucher pflanzen. Bei der Auswahl neuer Teepflanzen achtet er darauf, regionale und möglichst krankheitsresistente Strauchsorten einzusetzen.

Mit Teamwork zum Ziel

Was bei Asaji Ō-ishi noch nicht möglich war, ist seinem Sohn also gelungen: Kräfte zu bündeln und auf Bioanbau umzustellen. Bei einem Treffen junger Teebauern in der Region hatte Haruki um 2014 zwei Mitstreiter kennengelernt, die ebenfalls den Wunsch hegten, Bioanbau zu betreiben.

Jeder für sich stand vor nahezu unüberwindlichen Hindernissen. Darum beschlossen die drei sich zusammen zu tun. Das erste Ziel war, gemeinsam Biotee an Großhändler verkaufen zu können. Dank der solidarischen Zusammenarbeit waren sie in einer besseren Verhandlungsposition und konnten relevante Teemengen anbieten. Die Betriebe unterstützen sich gegenseitig bei Ernteausfällen und leihen sich Materialien und Geräte. Im Team haben sie es so geschafft, die aufwändige Bioumstellung und -zertifizierung umzusetzen.

Nachdem der Bioanbau mit Auftragsproduktionen für Großhändler erfolgreich angelaufen war, begann Haruki auch eigene Tees entsprechend seines persönlichen Geschmacksideals herzustellen. Auch dabei ist der Zusammenschluss hilfreich: Die drei Freunde diskutieren die neuesten Strauchsorten-Tipps und berichten sich von Fehlern, die bei der Produktion passiert sind, damit sie den anderen nicht ebenso unterlaufen. Teamgeist wird also ganz großgeschrieben.

Bereit für die Zukunft

Haruki und sein Vater Asaji Ō-ishi (2024)

Haruki hat mitangesehen, wie es vielen konventionellen Teegärten in der Gegend ergangen ist. Allzu viele Betriebe konnten keine überlebensfähigen Preise mehr erzielen und mussten aufgeben. Mit innovativen Strauchsorten, der Umstellung auf den Bioanbau und dem Anspruch, Topqualitäten zu erschaffen, ist es Haruki dagegen gelungen, den Teegarten fit für die Zukunft zu machen und das Vermächtnis seiner Familie weiterzuführen.

„Den Tee dreimal genießen“

Eine beliebte Redensart in der Ō-ishi-Familie ist es, dass man denselben Tee dreimal genießen möge: beim ersten Aufguss besonders den Duft, beim zweiten Aufguss den Geschmack und beim dritten die Farbe. Dies zeugt nicht nur von der großen Wertschätzung, die die Familie Ō-ishi dem Grüntee entgegenbringt, sondern auch von der Achtsamkeit und Konzentration, mit der sie sich ihrem Werk widmen. Ebenso viel Aufmerksamkeit wünscht sich die Familie von den Teetrinkern: Auch sie mögen das kostbare Gut mit allen Sinnen wahrnehmen und genießen. Asaji persönlich geht übrigens noch einen Schritt weiter und behält die aufgegossenen Teeblätter, um sie abends mit einer Schale Reis und etwas Ponzu-Sauce zu verspeisen.